Nullstunde
Berlin 1957: Ruinen, Wiederaufbau, Wirtschaftswunder. Die Schatten des Krieges, der Naziherrschaft und der Verstrickung vieler Menschen mit dieser Vergangenheit sind noch allgegenwärtig. Der elfjährige Tomas hat mit Jungen aus der Nachbarschaft – seiner „Gang“ – ein verbotenes Trümmergrundstück in Besitz genommen, das sie „Nullstunde“ nennen. Es ist ihre Welt, reich an kindlichen Freiheiten, wo sie die Vernichtung der Vergangenheit erkunden, wo sie sich erproben und verteidigen – sich selbst und ihre Zukunft suchen. Tomas lebt scheinbar behütet bei seiner Mutter, einer Lehrerin und Collage-Künstlerin, und seinem Vater, einem Vertreter für Schaufensterpuppen. Beide lieben ihn, doch er ist zwischen ihnen zerrissen. Beide sind auf ihre Weise vom Krieg versehrt, und ihre Auseinandersetzungen, Affären und drohende Gewalt verschärfen sich – bis zu dem „Unglück“. Tomas ist gezwungen, über eine „Luftbrücke“ in eine neue Welt zu gelangen.

2025 erschienen bei
Königshausen & Neumann
Königshausen & Neumann
ISBN 978-3-8260-9159-9
166 Seiten, € 19,80
166 Seiten, € 19,80
Ein junger Mann wirft einen Blick zurück auf den Jungen, der er war, zwischen Kindsein und Aufwachsen, zwischen scharfer Beobachtung und großer Empfindsamkeit, der sich behaupten muss gegenüber seiner stimmungskranken Mutter und dem trinkenden Vater – und ihren mörderischen Konflikten, um ihre Zuwendung zu behalten. Der von ihrem Krieg, der Vergangenheit und Zerstörung lernt und auch unter den Gefährten in der Trümmerwelt nach einer neuen Identität sucht; einer Identität, die nicht fragmentiert ist wie in den „Collagen“ seiner Mutter, die unter Zyklothymie leidet und gegenüber dem seelisch versehrten Vater, der betrunken zum Kind wird… Die kurzen, rasterartigen Kapitel des Romans fügen sich dabei mit ihren harten Schnitten allmählich zu einer Collage, zu einem größeren Ganzen in einer dramatischen Geschichte zusammen.
„Nullstunde“ ist eine fiktive Biografie. Ihre Sicht auf die Umbrüche der 50er Jahre und eine zerstörerische Familiendynamik mit den Augen eines sehr begabten und empfindsamen Kindes führt zurück in die Kindheit der „Schlüsselkinder“ und „Babyboomer“, die neben Gewalt und Entbehrungen auch große Abenteuer und große Freiheit bereithielt. Die Erkundung dieser Zeit – Nachkrieg, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder – zeigt auch die Versuche eines Jungen, sich selbst zu verstehen und zurechtzufinden mit dem Verschweigen und Verdrängen von Krieg und Nazizeit – und ihren sichtbaren, verbliebenen Wunden auf den Trümmerfeldern, wie auch bei seinen Eltern. Tomas rettet sich aufmerksam und mitfühlend in eine Art Halbdistanz, in der er seine Neugier wahrt und eine frühe Unabhängigkeit entwickelt…
Von Brausetütchen über Mohrenköpfe zu Ballonreifenrollern und kurzen Lederhosen ist in „Nullstunde“ fast alles versammelt, was jene Zeit für Jungen bereithielt, so wie die neuen Autos (Isetta, Mercedes 300 SL), Plattenspieler, Starmixer, Jazz oder Bossa Nova für die Erwachsenen…
„Nullstunde“ ist eine fiktive Biografie. Ihre Sicht auf die Umbrüche der 50er Jahre und eine zerstörerische Familiendynamik mit den Augen eines sehr begabten und empfindsamen Kindes führt zurück in die Kindheit der „Schlüsselkinder“ und „Babyboomer“, die neben Gewalt und Entbehrungen auch große Abenteuer und große Freiheit bereithielt. Die Erkundung dieser Zeit – Nachkrieg, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder – zeigt auch die Versuche eines Jungen, sich selbst zu verstehen und zurechtzufinden mit dem Verschweigen und Verdrängen von Krieg und Nazizeit – und ihren sichtbaren, verbliebenen Wunden auf den Trümmerfeldern, wie auch bei seinen Eltern. Tomas rettet sich aufmerksam und mitfühlend in eine Art Halbdistanz, in der er seine Neugier wahrt und eine frühe Unabhängigkeit entwickelt…
Von Brausetütchen über Mohrenköpfe zu Ballonreifenrollern und kurzen Lederhosen ist in „Nullstunde“ fast alles versammelt, was jene Zeit für Jungen bereithielt, so wie die neuen Autos (Isetta, Mercedes 300 SL), Plattenspieler, Starmixer, Jazz oder Bossa Nova für die Erwachsenen…
Leserstimmen
Mit großer Erwartung und Freude habe ich “Nullstunde” gelesen, quasi verschlungen... Ich bin begeistert: Die Sprache ist fließend, sehr gut verständlich mit einem breit gefächerten, interessanten Wortschatz, der Aufbau überaus spannend – bis zum überraschenden Schluss! Bravo für die tolle Milieu-Schilderung dieser Jahre in Berlin!
Wilhelm Ohmen, Mainz
Jeder Mann kennt Orte, wo er als Junge mit seinen Kumpels spielte. “Geheime” Orte, wo man unter sich ist. Die Geschichte führt uns in eine solche vermeintlich bekannte Welt, in das Territorium der Bubenspiele. “Nullstunde” taufen sie ihr Trümmerfeld im Nachkriegs-Berlin, einen verbotenen Ort, wo sie gar nicht spielen dürften. Viel zu gefährlich.
Der Roman wendet in reizvolles Konzept an, finde ich, eine Kinderstimme, die Stimme eines klugen, aufgeweckten Jungen. Ich habe das Buch von der Erzählsituation her gelesen als eine Art Transparent. Die Geschichte entsteht auf der langen Zugfahrt nach Berlin im Kopf des Erzählers, des inzwischen jungen Erwachsenen. Das Kind in ihm erinnert sich, und er formt es aus.
Berlin liegt am Boden, überall Trümmer und Ruinen, neue Automodelle und Haushaltsgeräte stehen zwar für die Hoffnung auf einen Neubeginn, aber niemand weiss, wie das Ganze herauskommt, zu sichtbar die Zerstörung, zu allgegenwärtig und offensichtlich die Beschädigungen der Menschen.
In diesem Setting ziehen sich die Jungs zurück in ihre Nullstunde. wo sie sich als Schlüsselkinder gerade wegen der fehlenden sozialen Strukturen so richtig austoben können. Tomas, der Erzähler, macht seine ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, der Sexualität. Seine Mutter, eine Künstlerin, leidet unter Gefühlsschwankungen. Sie liebt ihn abgöttisch, zerdrückt ihn aber fast. Eigentlich hat er einen besseren Draht zu seinem ihm “seelenverwandten” Vater. der aber Vieles verschweigt, und der dem Alkohol zu sehr zugetan ist. Diese versehrten, aber auch hoffnungsvollen Menschen, die Nazis, die noch immer da sind… die Kunst, das intellektuelle Erwachen… ein reiches Feld!
Peter Tremp, Kopenhagen